minimalistische dissonanzen 2
gespräch mit dem bildhauer gerhard trieb und tomas friedmann, leiter des literaturhauses salzburg . mai 1998
in den „woodcuts“ den „ minimalistischen dissonanzen 1“, arbeitest du mit holz. in den „stonecuts“ hast du einen naturstein aus dem untersberg – einem berg mit großer ausstrahlung, der die salzburger umgebung dominiert und im winter seinen schatten bis in die stadt wirft – geschnitten und als „henndorfer block“ im öffentlichen raum installiert.
berge zu versetzen ist schon immer meine sehnsucht, mein traum. ich habe versucht, diesen wunsch vieler menschen künstlerisch nachzuempfinden. mir geht es dabei um die symbolische umsetzung des themas fremdsein. also einen bestimmten stein aus seiner vertrauten umgebung – dem untersberg – mit einem diamant-seilband herauszuschneiden und ihn als scheinbaren fremdkörper in henndorf unweit von salzburg zu integrieren.
warum gerade henndorf? kannst du dir deine arbeit auch in einem anderen raum vorstellen?
henndorf ist der raum, in dem ich gelebt und gearbeitet habe. und: kunst ist für mich die auseinandersetzung mit dem umfeld und den problemen, die sich daraus ergeben. darum hat sich die frage nach einem anderen ort nie gestellt.
was bedeutet der raum für dich und deine arbeit?
raum ist für mich nicht nur die landschaft, sonder in erster linie freiraum – gedanklicher freiraum, künstlerischer freiraum. der „henndorfer block“ ist ein seelenspiegel von mir, er braucht viel raum. ich kann mir diese skulptur nicht in einem geschlossenen raum vorstellen. es wäre als würde man einen menschen einsperren. beide – der mensch und die kunst – brauchen freiraum um sich zu entfalten.
ein problem unsere zeit ist für mich das verschwinden der freiräume, obwohl der lebensraum insgesamt gleich groß geblieben oder durch mehr möglichkeiten sogar größer geworden ist. trotzdem empfinde ich es heute in vielen bereichen enger, als zu der zeit als ich kind war.
vielleicht entsteht dieser eindruck deshalb, weil die räume heute effizienter genutzt werden, z.b. durch den leistungsdruck, den wir uns auferlegen und dem wir uns beugen. das gilt auch für den kopf. ich denke, dass die fantasie zunehmend eingeschränkt wird. dagegen müssen wir uns wehren. aus dieser motivation ist meine gedankenskulptur entstanden und verwirklicht worden.
was verstehst du unter gedankenskulptur?
die gedankenskulptur ist eine metapher. sie entsteht auf der gefühlsebene, ist also zuerst keine kopfarbeit, sondern umgesetzte intuition. das ist der erste impuls. der zweite ist die formung im kopf, in den gedanken. und die dritte phase ist die realisierung.
das klingt sehr geplant. du bist also nicht spontan?
im gegenteil: ich arbeit sehr spontan. ich versuche so authen-tisch, so schnell und einfach wie möglich zu arbeiten. das ist mir wichtig. für ein größeres künstlerisches projekt spielen natürlich auch wirtschaftliche, technische und finanzielle komponenten eine wichtige rolle. für „stoncuts“ etwa habe ich montanisten, meister und bergwerksarbeiter in den kreativen prozess mit eingebunden. mit hilfe eines 150-tonnen-autokrans wurde der 25 tonnen schwere steinblock auf einer wiese in altentann bei henndorf installiert.
was willst du mit deiner arbeit bewirken?
mit diesem kunstprojekt und der irritation, die dieser minimalistische stein in der gewachsenen umgebung ausübt, möchte ich einen denkprozess auslösen, um die distanz, die gegenüber fremden, aber auch gegenüber künstlern und der gegenwartskunst insgesamt besteht, zu verkleinern und zu überwinden.
geht es dir um provokation?
es geht mir um konfrontation. die unliebsame auseinander-setzung ist wichtig, um kunst und leben überhaupt weiterzuent-wickeln. als künstler versuche ich – einem kind gleich – grenzen auszuloten, meinen gedanken- und kreativitätshorizont abzus-chreiten und zu erweitern. vielleicht liegt die symbolische ausdruckskraft des „henndorfer blocks“ auch darin, dass ich an der künstlerischen unlösbarkeit dieses problems beinahe zerbrochen wäre.