minimalistische dissonanzen 1

gespräch mit dem holzschneider gerhard trieb und tomas friedmann, leiter des literaturhauses salzburg . april 1996

wie bist du zum holzschneiden gekommen?

das hat sich aus meinem leben entwickelt. meine mutter war herrenschneiderin, ich habe sie als kind beobachtet, wie sie am boden knieend schnitte gezeichnet, linien gezogen hat. das hat mich fasziniert. der vater war wagner, d.h. er hat holz gebogen: buchenholz zu ski oder zu einer rodel aber auch wagenräder. diese handwerkliche tätigkeit meiner eltern hat mich geprägt und gab wohl den ausschlag für meine künstlerische tätigkeit. 

vorerst habe ich jedoch als technischer zeichner gearbeitet, als projektleiter in einem salzburger planungsbüro. aber schon damals hat sich das künstlerische bemerkbar gemacht. 1988 habe ich meinen bürgerlichen beruf aufgegeben, um freischaffend zu arbeiten.

wo hast du die technik gelernt? und wie arbeitest du?

ich bin autodidakt, habe mir also die technik des holzschneidens selbst angeeignet. meine arbeit ist manchmal traditionell: bei nuss- und birnenholz arbeite ich mit konventionellen schneide-werkzeugen. bei großen arbeiten setze ich auch meine eigenen techniken ein. so habe ich z.b. die technik mit einer kaputten bohrmaschine, die ich schräg ansetze, entwickelt. das holz franst dabei stark aus.

grenzt dich die arbeit mit dem material holz thematisch ein?

die holzscheiderei ist eine spröde arbeit. holz widersetzt sich. aber es grenzt mich nicht ein. denn meine holzschnitte sind keine illustrationen, im gegenteil: ich arbeite abstrakt, wenn auch mit natürlichen materialien. meine arbeit ist minimalistisch, ich verwende kaum farben, lieber schwarz-weiß. dabei interessieren mich themen, die mich aufwühlen. so war es beim trakl-zyklus, der in einer zeit entstand, als ich durch den umstieg von meiner bürgerlichen existenz zum freien künstler psychisch angegriffen war. ich fühlte mich auch durch die außenwelt in frage gestellt. in dieser situation inspirierte mich trakl zu einem zyklus von holzschnitten, die aus dem bauch entstanden sind.

warum gerade georg trakl?

mich faszinierte sein leben, seine hingabe zur kunst, die ich übrigens auch bei john cage entdeckte. ich empfinde diese totale hinwendung, diese aufgabe bei mir weit weniger stark. es geht mir dabei aber nicht bloß um eine intellektuelle hingabe, sondern auch um die körperliche. gerade diese spannung zwischen (körperlicher) arbeit und intellekt ist mir sehr wichtig. kunst bedeutet für mich nicht nur ästhetik, das oberflächlich schöne, sondern forschen, in-die-tiefe-gehen. hier sehe ich parallelen bei trakl und bei cage, in der literatur wie in der musik.

kann man sagen, du „benutzt“ gewisse vorlagen-künstler und deren werke für deine arbeit?

das wort benutzen stört mich sehr. ich würde es „einklinken“ nennen. ich beschäftige mich immer wieder mir arbeiten von künstlern und künstler-biografien. dort klinke ich mich ein. dabei geht es mir um sinn und wesen der künstlerischen ausdrucks-kraft. der sinn in der kunst ist nicht nur die ästhetik, kunst soll auch dissonanzen aufzeigen. 

holz erzeugt widerstand; kunst soll auch dissonanzen aufzeigen: wie wichtig ist dir widerstand in deiner arbeit, deinem leben?

künstler zu sein, bedeutet für mich in opposition zu stehen. ich könnte kein politiker sein, dazu bin ich zu introvertiert und hätte angst, zwischen den fronten zerrieben zu werden. aber widerstand ist ein motiv meiner kunst. und kunst bedeutet für mich verantwortung zu tragen, die in der eigenen arbeit sichtbar wird. holzschnitte entstehen aus reibung, die technik des holzschneiderns erfordert kraft und widerstand. genauso ist es im leben. der künstler ist kein willenloses stück treibholz, er arbeitet auch gegen politische und gesellschaftliche strukturen an. dieses dagegen-anarbeiten ist ein tieferer sinn meiner arbeit. ich mache kunst, weil mir nichts anderes übrig bleibt.

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